Bestellbar u.a. über Büchner Verlag und/oder in Marburger Buchhandlungen erhältlich
https://www.buechner-verlag.de/buch/dagobertshausen/
Dagobertshausen – ein Ortsteil im Westen von Marburg – droht erstickt zu werden: erdrückt von den Zumutungen der ortsansässigen Freizeitindustrie, einer beispiellosen Expansion von großformatigen Unterhaltungsbetrieben und von dem Geschäft der vorhandenen Locations, die jährlich viel Lärm und Verkehr sowie Besuchermassen in den kleinen Ort schwemmen.
Ute Göbel-Lehnert und Thomas Rautenberg, die beide seit Jahrzehnten in Dagobertshausen leben, veranschaulichen, wie der Ort von einer einzelnen Investorenfamilie in knapp zehn Jahren zu einem Freizeitpark verwandelt wurde, ohne Rücksicht auf die Bewohner_innen und mit willfähriger Unterstützung durch Politik, Verwaltung und den Ortsbeirat. Analysiert wird der Strukturwandel, aber auch der gewachsene Widerstand, der sich dagegen formiert und der die Gefahren einer weiteren Zerstörung der Wohn- und Lebensqualität des Ortes benennt.
Das regionale Beispiel ›Disneyland Dagobertshausen‹ wird in überörtliche Trends moderner Freizeit- und Tourismusindustrie eingeordnet, die sich mit den Begriffen Overtourism, Eventtourismus, Freizeitkollaps oder Business Travel überschreiben lassen. So will es weit über den Ort hinaus sensibilisieren, für gesamtgesellschaftliche Problemlagen und mögliche Strategien und Initiativen im Umgang damit.
Zitat: »Wir wollen uns nicht mehr zurückhalten, denn Zurückhaltung war hier viel zu lange angesagt. Sie hat unter anderem bewirkt, dass die Freizeitindustrie der örtlichen Gewerbebetriebe in Ruhe expandieren konnte – und den einst beschaulichen Ort explosionsartig zu einem Event-Zentrum veränderte.«
Bis vor zehn Jahren war Dagobertshausen ein beschaulicher Ortsteil im Westen von Marburg. Alteingesessene Dorfbewohner und
zugezogene Familien, die dort hatten bauen lassen, genossen zwischen Wiesen, Feldern und Wald die Ruhe und den hohen Erholungswert ihrer Wohnumgebung. Doch seither hat das 350-Seelen-Dorf das
Interesse eines mächtigen Investors erregt, der Liegenschaften erworben und großzügig umgestaltet hat. Er
verfügt heute über ein Drittel der Flächen.
Investiert wurde ganz zeitgemäß in das Gewerbe Freizeitindustrie. Ausgehend von einem wohlklingenden „Hofgut“ hat der Familienkonzern von Reinfried Pohl und seinen Söhnen Tourismusbedürfnisse
(durch Werbung) erzeugt und gleichzeitig befriedigt: mit einem gehobenen Hotel- und Gaststättenbetrieb, einer mehrfach erweiterten Reitsportanlage samt großflächigem Parkplatz. Alles war darauf
angelegt, in großer Zahl wohlhabende Feierwillige, Eventgierige und auf sportliche Vergnügungen Erpichte aus Nah und Fern anzuziehen – und man setzt auf weitere Expansion, um die geschaffenen
Kapazitäten nun auch auszulasten.
Im Dorf mit seinen engen Straßen führt der plötzliche und überdimensionierte Fremdenverkehr regelmäßig zum Kollaps. Der damit
einher gehende Lärm raubt den Anwohnern den Schlaf.
Ute Göbel-Lehnert und Thomas Rautenberg, die seit langem in Dagobertshausen leben, stellen fest, dass ihr Wohnort „nach nur einer knappen Dekade nicht mehr wiederzuerkennen ist“ (S. 11). Dies hat
sie dazu bewegt, in der Stadtteilinitiative „Leben und Wohnen in Dago“ Verantwortung zu übernehmen. In ihrem Plädoyer für mehr Bescheidenheit und Zurückhaltung beim Umgang mit den natürlichen
Vorzügen des Marburger Umlands weisen sie verständlicherweise darauf hin, dass es nicht angeht, mit der dörflichen Idylle zu werben – und gleichzeitig Großveranstaltungen im Sinne eines
Eventtourismus durchzuführen. Die damit konfrontierten Anwohner waren in die Planspiele der Investoren nie einbezogen worden. Unvermutet mussten sie die Schattenseiten der Entwicklung in Kauf
nehmen, denn in „Dagobertshausen ist im Durchschnitt an jedem zweiten Abend des Jahres Party – mit steigender Tendenz“ (S. 41). Dabei wird das Erlebnis-Angebot ständig erweitert, etwa durch ein
mit immer mehr Wohlfühl-Gastronomie aufgeladenes, „nicht enden wollendes Weihnachten“ und einen „Adventsmarkt“, der 2019 taktloserweise am Totensonntag abgehalten wurde (S. 34 f.).
Angesichts dieser Belastungen für die Anwohner sprechen sich Göbel-Lehnert und Rautenberg dafür aus, den „ungebremsten
Veranstaltungs- und Tourismusboom“ einzuhegen (S. 51, 55). Ende 2019 kamen sie diesem Ziel einen Schritt näher, als der Ortsbeirat ein neues Pohl’sches Expansionsprojekt, das den Dorfkern völlig
verändert hätte, ablehnte. Doch ist das Bauvorhaben damit nicht vom Tisch, die städtische Baubehörde darf sich über dieses Votum hinwegsetzen. Dies verheißt nichts Gutes, da die gleiche Behörde
über Jahre hinweg die Folgen ihrer Genehmigungspraxis verkannt hat. „Die Politik verschanzt sich“ unterdessen „hinter der Verwaltung“ (S. 81), der zuständige Dezernent gehört einer Partei an, die
von der Pohl’schen DVAG mit generösen Spenden unterstützt wird. Dauerhafter Erfolg ist somit eher von der Hilfestellung eines Anwalts für Verwaltungsrecht zu erwarten. Um dem „rücksichtslosen
Gebaren der örtlichen Unternehmen“ wirksam entgegenzutreten, sah sich die Stadtteilinitiative „in eine (teure) rechtliche Auseinandersetzung gezwungen“ (S. 81, 112, 118).
Im Anhang sind einige Zeitungsbeiträge aus der Lokalzeitung Oberhessische Presse abgedruckt, in denen Betroffene ihre
Position darlegen, sowie zwei Anfang 2020 an den Magistrat gerichtete Anfragen der Marburger Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der Partei Die Linke.
Bei der juristischen Verteidigung ihres Wohnorts gegen die „rein kommerziellen Interessen der hier nicht lebenden Investorenfamilie“ (S. 134) ist den in der Stadtteilinitiative Engagierten Glück
zu wünschen. Und zwar nicht nur um deren Wohlergehen willen. Göbel-Lehnert und Rautenberg machen wiederholt deutlich, dass die Entwicklung von Dagobertshausen zu einem ausverkauften Dorf, das zum
Spielfeld finanzkräftiger Investoren geworden ist, keinen Einzelfall darstellt.
Klaus-Peter Friedrich (Marburg)
Weitere Rückmeldungen zum Buch ...
Interview zum Buch Dagobertshausen - Ausverkauf eines Dorfes in der Zeitschrift OXI
Wie Dagobertshausen zum Freizeitpark wurde
Ute Göbel-Lehnert und Thomas Rautenberg über die Folgen von »Overtourism« in einem Marburger Stadtteil und dörfliche Idylle-Vorstellungen als Kulisse für Investoreninteressen
Von Sigrun Matthiesen
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1140894.wie-dagobertshausen-zum-freizeitpark-wurde.html
Ein spannender Dreh in der Reihe Bulli-Talk des Büchner Verlages mit Ute Göbel Lehnert und Thomas Rautenberg zu ihrem Buch Dagobertshausen – Ausverkauf eines Dorfes?
https://www.youtube.com/watch?v=3a2FOoaAxSg
Als Kombination von Lesung und Performance-Experiment nimmt die Reihe Performing Books ihre Impulse aus den jeweils ausgewählten Büchern. Deswegen stand der Ort für den dritten Teil quasi außer Frage: Szenen und Bilder fand das Fast Forward Theatre diesmal in Marburgs dörflichem Ortsteil – nomen est omen – Dagobertshausen. Dort treibt ein planmäßig vorangetriebener Eventtourismus seit 2009 den Puls von dörflichem Leben und Wohnbevölkerung kontinuierlich nach oben. In ihrem Buch »Dagobertshausen. Ausverkauf eines Dorfes?« (2020) berichten Ute Goebel-Lehnert und Thomas Rautenberg darüber, was diese Form der modernen Landnahme durch Investor_innen und die Tourismusindustrie für die gewachsenen Strukturen und das Leben in Dagobertshausen bedeuten und fragen danach, was sich dem eigentlich entgegensetzen lässt.
auf YouTube: HTTPS://YOUTU.BE/E2SNCCYW5E4)
Das Buch kann im Buchhandel oder aber über das Internet in unterschiedlichen Formaten (print oder ePDF) bestellt werden. Entweder über den Büchner-Verlag direkt: https://www.buechner-verlag.de/buch/dagobertshausen/
oder andere bekannte Plattformen (z.B.: amazon.de etc.):
https://www.amazon.de/Dagobertshausen-Ausverkauf-Dorfes-Ute-G%C3%B6bel-Lehnert/dp/3963172061
https://www.lehmanns.de/shop/sozialwissenschaften/53781897-9783963172069-dagobertshausen